Bauchhirn News
Mikroorganismen kommunizieren mit unseren Körperzellen
Dass z.B. Candida Pilze Botenstoffe aussenden, um unseren Heisshunger auf Zucker auszulösen, das wissen wir ja schon lange. Wie vielschichtig und intensiv die Kommunikation unserer Darmbakterien mit den Körperzelle bis hin zu Gehirnzellen ist, das belegen immer mehr Forschungsresultate in den letzten Jahren. So sehr wächst der Stellenwert des nicht umsonst so genannten „Bauchhirns“, dass manche bereits die vorrangige Kontrollfunktion des Gehirns im unserem Organismus anzweifeln. Sind wir vielleicht letzten Endes fremdgesteuert von den Billionen Mikroorganismen, die auf uns leben?
Eine sehr empfehlenswerte und umfangreiche Dokumentation zu diesem Thema finden Sie bei arte.tv, „Der kluge Bauch“.
Das Bauchhirn – die Verbindung zwischen Darm und Gehirn
Webartikel ©Emiko
„Aus dem Bauch heraus“, so wird eine intuitiv getroffene Entscheidung bezeichnet. Dass dies jedoch weit mehr ist als eine Redensart, haben Anatomen und Hirnforscher schon lange bestätigt. Es gibt eine Verbindung zwischen Darm und Gehirn, über die rege kommuniziert wird. So kann sich der Zustand des Darms auf Stimmungen und Emotionen einer Person auswirken und Einfluss auf ihr Denken und Handeln nehmen. Wie das genau funktioniert, wird von Neurogastroenterologen untersucht.
Das „Bauchhirn“ ist die umgangssprachliche Beschreibung für ein Geflecht aus Nerven in der Bauch- und Darmregion. Es ist Teil des über den sogenannten Vagus Nerv mit dem Gehirn verbundenen enterischen Nervensystems (ENS). Das enterische Nervensystem wiederum ist Teil des peripheren Nervensystems (außerhalb des Schädels und des Wirbelkanals) und abgegrenzt zum zentralen Nervensystem (Kopfgehirn und Rückenmark).
Das enterische Nervensystem durchzieht, von der Speiseröhre bis zum Enddarm, nahezu den gesamten Verdauungsapparat. Zusammen mit dem Immunsystem – etwa 70 Prozent der Immunzellen befinden sich im Darm – gilt es als das wichtigste Informationssystem des Körpers.
Mit der Erforschung unseres „Bauchhirns“ befasst sich die Neurogastroenterologie. Dieser Zweig der Wissenschaft ist noch jung und wird uns zukünftig sicher noch viele Erkenntnisse über unser „zweites Gehirn“ liefern.
Die Aufgabe des Bauchhirns
Die Nervenzellen des Bauchhirns treffen selbstständig alle für den Darm wichtigen Entscheidungen. Das Bauchhirn regelt also die Darmmotorik und die Verdauung. Es analysiert die Nährstoffzusammensetzung und koordiniert, was aufgenommen und was ausgeschieden wird.
Ein ganz einfaches Beispiel für die Funktion des Bauchhirns: Man hat ein verdorbenes Lebensmittel gegessen. Das Bauchhirn meldet ans Kopfhirn, dass Gifte im Körper sind, die hier nicht hingehören. Das Kopfhirn wiederum schickt dem enterischen Nervensystem Signale zum Auslösen motorischer Reflexe, die Erbrechen auslösen.
Auf welchem Weg kommt die Information vom Darm zum Gehirn?
Das Gehirn wird über den Vagus Nerv zur Situation im Darm, in anderen Organen des Bauchraumes und über den Zustand des Immunsystems informiert. Der Vagus Nerv ist eine Verbindung von Nervensträngen, die aus dem Bauchraum bis zur Großhirnrinde und somit dem limbischen System, unserem Emotionszentrum, reicht.
Mindestens 80 Prozent der Nervenfasern des Vagus Nervs verlaufen vom Bauchraum zum Gehirn.
Nur wenige Nervenfasern verlaufen in die entgegengesetzte Richtung und senden Informationen vom Gehirn an den Darm.
Wie werden Informationen transportiert?
Das enterische Nervensystem umfasst mehr als 100 Millionen Nervenzellen und ist damit sogar besser ausgestattet als das Rückenmark. Die Zelltypen und Rezeptoren des Magen-Darm-Traktes sind mit denen des Gehirns identisch. Sie kommunizieren miteinander über dieselben Botenstoffe, zum Beispiel Serotonin und Dopamin.
Serotonin und Dopamin werden umgangssprachlich auch als Glückshormone bezeichnet. 95 Prozent des im menschlichen Körper produzierten Botenstoffs Serotonin stammen aus dem Magen-Darm-Trakt. Ein hoher Serotoninspiegel lässt die Stimmung steigen und vertreibt Aggressionen, Angst und schlechte Laune. Es wird als wahrscheinlich angesehen, dass das im Bauchraum produzierte Serotonin seine Wirkung auch im Gehirn entfaltet.
Informationen von Bakterien
Bei der Verdauung helfen dem Darm etwa zwei Kilogramm nützliche Bakterien, die sich aus bis zu 1000 verschiedenen Arten zusammensetzen.
Mikroorganismen, ihre Zusammensetzung und ihre Stoffwechselprodukte können über die Verbindung vom Darm zum Gehirn auch Einfluss auf Vorgänge im Gehirn nehmen. Ihre Stoffwechselprodukte können zudem über das Blut zum Gehirn gelangen.
Es mehren sich Erkenntnisse dazu, dass Fehlbesiedlungen im Darm auch die Ursache für neurologische Beschwerden oder Beschwerden an Organen sein können, die keine unmittelbare Verbindung zum Verdauungssystem haben.
Fazit: Das Bauchhirn pflegen
Eine abwechslungsreiche Ernährung mit einer Fülle von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, hochwertigen Eiweißen und die maßvolle Zufuhr von Kohlenhydraten scheint die beste Pflege für unser Bauchhirn zu sein. Insbesondere die Verwendung von nicht verarbeiteten Lebensmitteln entlastet den Darm und gibt unserem Bauchhirn die Information „hier ist nichts Schädliches im Umlauf“. Entsprechend positiv entwickelt sich die Darmflora, deren Informationen und Stoffwechselprodukte das Kopfhirn nicht negativ beeinflussen.
Der Spruch „Du bist was du isst“ fasst den Einfluss der Ernährung auf körperliches und seelisches Wohlbefinden zusammen.
©Emiko
Darmflora und Psyche
In unseren Breitengraden leiden immer mehr Menschen an psychischen Störungen. Spielt dabei die Darmflora eine Rolle? Zunehmend viele Forscher sagen: Ja.
Unsere Psyche wird von unseren Darmbakterien beeinflusst und umgekehrt. Diese Erkenntnis eröffnet ganz neue Verständnis- und Therapieperspektiven. Die Psychomikrobiotik ist ein relativ junges Forschungsfeld, das sich mit dem Zusammenspiel zwischen Gehirn und Darmflora beschäftigt. Interessanterweise kann die Beeinflussung in beide Richtungen erfolgen. So können Funktionsstörungen im Gehirn auch Durchfälle und Verstopfungen zur Folge haben.
Mit dem Zusammenhang zwischen Darmflora und neurodegenerativen Erkrankungen beschäftigt sich beispielsweise Michel Neunlist, Forschungsleiter beim Nationalen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung in Nantes. Sehen Sie seinen Beitrag zum Thema „Kann Autismus wirklich mit Probiotika behandelt werden?“
Auch Dr. Guillaume Fond, Psychiater am Hopital Henri-Mondor in der Nähe von Paris und Forscher am Staatlichen französischen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (INSERM), beschäftigt sich mit der Frage, ob die Ursachen von psychischen Erkrankungen wie Autismus, bipolaren Störungen, Schizophrenie und Depressionen in einem Ungleichgewicht der Darmflora zu suchen sind.